Beim neuen gasbetriebenen Motor standen die Volvo Trucks Ingenieure vor
der Herausforderung, einen neuen Antrieb zu entwickeln, der auf Anhieb
die CO2-Emissionen senkt, Kunden dieselben Leistungswerte bietet wie ein
Diesel und überdies zukunftsfähig ist. Dabei herausgekommen ist eine
Lösung, die die Verwendung des Dieselprinzips von Grund auf in Frage
stellt.
Der
Volvo FH LNG und der Volvo FM LNG sind die ersten schweren Lkw mit
Gasantrieb auf dem Markt, deren Leistung für die Anforderungen im
Regional- und Fernverkehr ausreicht.
Die zunehmende Sorge um die Erderwärmung erhöht derzeit den Druck,
eine Abkehr von fossilen Kraftstoffen zu vollziehen. Städte in aller
Welt beabsichtigen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge auszusprechen, zum
Teil schon in naher Zukunft. Die Frage lautet: Was wird die Alternative sein? Welcher Energieträger kann CO2-Emissionen
reduzieren, die benötigte Leistung liefern und dennoch eine
wirtschaftlich machbare Alternative für ein typisches
Transportunternehmen darstellen? Bei Volvo Trucks ist man gewiss, dass
die Antwort – zumindest in Teilen – „Gas“ lautet. Der Volvo FH LNG
und der Volvo FM LNG sind die ersten schweren Lkw mit Gasantrieb auf
dem Markt, deren Leistung für die Anforderungen im Regional- und
Fernverkehr ausreicht. Die beiden Modelle, die wahlweise mit 420 oder
460 PS erhältlich sind, bieten dieselben Leistungswerte und
Fahreigenschaften wie ihr Dieselpendant und erzielen eine Reichweite von
bis zu 1000 Kilometern.
Lars Mårtensson, Direktor
Umweltschutz und Innovation bei Volvo Trucks, glaubt, dass Erdgas großes
Potenzial hat, und zwar sowohl im Hinblick auf sofortige CO2-Reduzierungen als auch als langfristige Lösung für die nächsten 20 bis 30 Jahre oder noch länger.
Der einzige Unterschied ist der Kraftstoff – verflüssigtes Erdgas (LNG) –, der sowohl die Kraftstoffkosten als auch die CO2-Emissionen
deutlich reduziert. Bei Verwendung von Erdgas, das für die meisten
Fuhrunternehmen einstweilen die praktikablere Variante ist, sind die CO2-Emissionen
20 Prozent niedriger als bei Diesel. Bei einem Lkw mit einer jährlichen
Laufleistung von 120.000 Kilometern im Schwerlastverkehr entspricht
dies einer Einsparung von 18 bis 20 Tonnen CO2 pro Jahr. Doch das größte Einsparpotenzial ergibt sich aus der Verwendung von Biogas. In diesem Fall werden die CO2-Emissionen
sogar um 100 Prozent reduziert („Tank-to-Wheel“). Zudem liegt der
Kraftstoffverbrauch zwar auf dem Niveau der Volvo Trucks Dieselmotoren,
aber auch 15 bis 25 Prozent unter dem herkömmlicher Gasmotoren. „Flüssiggas
ist eine vielversprechende Alternative zu Diesel, da es eine gute
Kombination aus ökologischen und ökonomischen Vorteilen bietet”, sagt
Lars Mårtensson, Direktor Umweltschutz und Innovation bei Volvo Trucks.
„Erdgas ist weltweit in Hülle und Fülle vorhanden, und es gibt immer
mehr Flüssiggastankstellen.“
Anneli Soppi, Chief Project Manager bei Volvo Group Trucks Technology, war für die Entwicklung des Gasantriebs zuständig.
Flüssiggas ist beileibe kein neuer Kraftstoff. Allerdings ist Volvo
Trucks der erste Hersteller, dem es gelungen ist, einen schweren Lkw mit
Gasantrieb und einer solchen Leistungsausbeute zu entwickeln.
Ermöglicht wurde dies durch die Nutzung des Diesel- anstelle des
Otto-Prinzips, das bei Gasmotoren eigentlich die Regel ist. Der
Hauptunterschied besteht darin, dass Ottomotoren eine Fremdzündung
besitzen, die Beschränkungen in Sachen Motorleistung, Drehmoment und
Zuverlässigkeit mit sich bringt und eher zum Klopfen neigt. Motoren, die
nach dem Dieselprinzip funktionieren, können mehr Leistung und
Drehmoment generieren, indem sie auf eine Direkteinspritzung nebst
Selbstzündung zurückgreifen. „Bisher bestand die Herausforderung
darin, dass sich Gas nicht allein durch Verdichtung entzünden lässt. Man
braucht etwas, das die Gasverbrennung in Gang setzt. Im Motor wird das
Gas durch eine Diesel-Zündflamme zur Entzündung gebracht, die ihrerseits
durch die hohe Verdichtung entsteht“, erklärt Anneli Soppi, Chief
Project Manager bei Volvo Group Trucks Technology. „Allerdings bringt
das die Frage mit sich, wie man zwei verschiedene Kraftstoffe in den
Zylinder einspritzt, denn zwei Injektoren wären nur sehr schwer
realisierbar.“
Flüssiggas ist eine vielversprechende
Alternative zu Diesel, da es eine gute Kombination aus ökologischen und
ökonomischen Vorteilen bietet.
Lars Mårtensson,
Direktor Umweltschutz und Innovation, Volvo Trucks
Die Antwort darauf sind zwei konzentrische Nadeln, die sowohl Diesel
als auch Gas direkteinspritzen können. Mit dieser einzigartigen
Technologie wird eine geringe Menge Diesel vor dem Gas in den Zylinder
eingespritzt, um die Verbrennung in Gang zu setzen. „Im Prinzip
funktioniert der Diesel wie eine flüssige Zündkerze“, erklärt Anneli
Soppi. „Der Motor läuft vorwiegend mit Gas. Genau gesagt ersetzt es mehr
als 90 Prozent des Dieseltreibstoffs, der in herkömmlichen
Dieselmotoren verbrannt wird. Trotzdem sichern wir uns alle Vorteile
eines Dieselmotors, einschließlich derselben hohen Leistungs- und
Drehmomentwerte.“
Die größte Hürde bei der
Verwendung von Flüssiggas ist derzeit das lückenhafte Vertriebs- und
Tankstellennetz. Allerdings nimmt die Investitionsbereitschaft von
staatlicher Seite und aus dem Privatsektor derzeit zu.
Gehört Erdgas also die Zukunft des Transportwesens? In
der allgemeinen Wahrnehmung ist diese Zukunft wohl elektrisch, was für
den Pkw-Sektor auch durchaus denkbar ist. Doch was die Bereitstellung
wirtschaftlich realisierbarer Lkw für den Fernverkehr betrifft, steckt
die technische Entwicklung der Elektromobilität noch in den
Kinderschuhen. „Durchsetzen werden sich die Kraftstoffe, die hohe
Energieeffizienz mit guter Umweltbilanz vereinen“, prognostiziert Lars
Mårtensson, Direktor Umweltschutz und Innovation bei Volvo Trucks. „Wir
werden erleben, wie verschiedene Alternativkraftstoffe – darunter auch
Strom – erschlossen und je nach Anwendungsbereich genutzt werden. In
dieser Übergangsphase wird Diesel noch auf viele Jahre hinaus
omnipräsent sein. Doch was den schweren Regional- und Fernverkehr
betrifft, hat Flüssiggas derzeit die besten Aussichten, schnell zu einer
weltweit verfügbaren Alternative zu Diesel zu werden.“ Auf lange
Sicht hat Flüssiggas das Potenzial, die Emissionen noch weiter zu
reduzieren, weil sich Biogas anstelle von Erdgas verwenden lässt. „Jeder
künftige Umstieg auf einen Biokraftstoff wird schrittweise geschehen,
weshalb diejenigen Biokraftstoffe am erfolgreichsten sein werden, die
während des Übergangs durch eine fossile Variante des jeweiligen
Kraftstoffs unterstützt werden können“, fügt Lars Mårtensson hinzu.
„Erdgas zum Beispiel gewährleistet die Versorgung aller Fahrzeuge, die
mit Biogas angetrieben werden. In dem Maße, in dem Herstellung und
Vertrieb von Biogas an Boden gewinnen und die diesbezüglichen Kosten
sinken, wird auch die Nutzung von Biogas zunehmen. Schon bald wird man
die CO2-Bilanz deutlich verbessern können, indem man einfach den Energieträger wechselt.“
Durch die Nutzung des Diesel-
anstelle des Otto-Prinzips erzielt der gasbetriebene Motor von Volvo
Trucks mehr Motorleistung und Drehmoment.
Die größte Hürde bei der Verwendung von Flüssiggas – sei
es Erdgas oder Biogas – ist derzeit das lückenhafte Vertriebs- und
Tankstellennetz. Doch angesichts der wachsenden Brisanz des Themas
Klimawandel fördern viele Staaten den Ausbau der
Flüssiggas-Infrastruktur. Daraus ergibt sich ein enormes
Ertragspotenzial für Anbieter, die die Transportbranche mit Gas
versorgen möchten. „Wir glauben, dass Erdgas das größte Potenzial hat, und zwar sowohl im Hinblick auf sofortige CO2-Reduzierungen
als auch als langfristige Lösung für die nächsten 20 bis 30 Jahre oder
noch länger“, sagt Lars Mårtensson. „Die fehlende Infrastruktur ist zwar
eine Herausforderung, aber wir sind damit nicht allein. Die EU zum
Beispiel hat das Problem erkannt und entsprechende Förderprogramme
aufgelegt. Auch die Entwicklung von Fahrzeugen wie dem Volvo FH LNG und
dem Volvo FM LNG wird die Flüssiggasproduktion vorantreiben. Da ist also
noch sehr viel möglich.“
Bisher bestand die Herausforderung
darin, dass sich Gas nicht allein durch Verdichtung entzünden lässt. Man
braucht etwas, das die Verbrennung in Gang setzt.
Anneli Soppi
Chief Project Manager, Volvo Group Trucks Technology
Mats Franzén, Produktmanager für
Volvo Trucks Motoren, behauptet, dass der Unterschied zwischen dem neuen
Lkw mit Gasantrieb und einem Diesel nicht zu erkennen ist, wenn man am
Steuer sitzt.
Folglich ging es bei der Entwicklung des Volvo FH LNG und des Volvo
FM LNG um einen langfristigen Ansatz, an dem Volvo Trucks Ingenieure aus
aller Welt beteiligt waren. „Dieselmotoren sind für Volvo Trucks
vertrautes Terrain, denn schließlich bauen und verbessern wir sie seit
mehr als 70 Jahren. Aber beim Flüssiggasantrieb wagen wir uns auf
Neuland vor, und das braucht einfach seine Zeit, weil man sich das
Wissen und Können erst aneignen muss“, sagt Mats Franzén, Produktmanager
für Motoren bei Volvo Trucks. Eine der besonderen
Herausforderungen bei der Arbeit mit unter hohem Druck stehenden Gas ist
die verlässliche Abdichtung des Systems. Unzählige Stunden wurden
darauf verwendet, alle Dichtungen hermetisch zu gestalten. Hinzu kamen
ausgiebige Erprobungen zur Gewährleistung ihrer Haltbarkeit.
Insgesamt wurden die neuen Modelle denselben Tests und Prüfungen
unterzogen, die Volvo Trucks auch bei allen anderen Motoren und
Fahrzeugen anwendet, darunter Aufprall- und Ausdauertests sowie
ausgiebige Erprobungen in der Praxis bei hohen und niedrigen
Temperaturen und in großer Höhe. „Es war ein sehr umfangreiches
Programm, aber das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen“, ist Mats
Franzén überzeugt. „Man merkt gar nicht, ob man einen Lkw mit Diesel-
oder Gasantrieb fährt. Die Fahrzeuge kombinieren niedrigere
Kraftstoffkosten mit geringeren CO2-Emissionen und der Robustheit eines Diesels.“
Volvo FH LNG und Volvo FM LNG
Modelle: Erhältlich als Sattelzugmaschine (4×2, 6×2, 6×4) oder
Fahrgestell (4×2, 6×2, 6×4) mit einem Fahrzeuggesamtgewicht von bis zu
64 Tonnen. Motor: Volvo G13C nach Euro 6 mit 420 PS/2100 Nm oder 460 PS/2300 Nm. Getriebe: Volvo I-Shift. Kraftstofftanks: Flüssiggastank
mit 115 kg (275 l), 155 kg (375 l) oder 205 kg (495 l) Fassungsvermögen
für bis zu 1.000 km Reichweite. Hinzu kommt ein kleinerer Dieseltank. Abgasnachbehandlung: SCR und Partikelfilter.
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