„Gefühl ist fast alles“, sagt der Bochumer Forscher Rüdiger Hossiep, „auch beim Auto.“ Für viele Menschen sei der Wagen nach wie vor etwas ganz Besonderes, das „blechgewordene Selbst“ oder wie „ein Familienmitglied, das in der Garage wohnt.“ Heute gibt es jedoch eine fast unüberschaubare Auswahl an Autos, die sich alle sehr ähneln, so Hossiep. Technische oder finanzielle Aspekte eines Wagens können gar nicht allein den Ausschlag für einen Kauf geben. Wichtig ist, für was ein Fahrzeug steht: Sportlichkeit oder Sicherheit, Reichtum oder Langlebigkeit. Ob der Wagen diese Eigenschaften wirklich verkörpert, ist dabei nicht entscheidend. Wichtig ist, welche Meinung der Käufer von den Marken hat. Und ob der Wagen die eigene Persönlichkeit unterstreicht. Hossiep: „Das Image ist wichtiger als der vermeintliche Nutzen.“
Auf dem zweiten Platz: Audi
Neben dem Fragebogen FAHR , dessen Ergebnisse wir ebenfalls auf diesen Seiten vorstellen, hat der Auto-Psychologe zusammen mit seinem Team an der Universität Bochum noch ein weiteres Auto-Verfahren entwickelt: den Involvement-Index. „Damit bilden wir die emotionale Verbundenheit der Fahrer mit ihrer Marke ab“, erklärt Hossiep. Und das jedes Jahr seit bereits 2007. Der Volvo übertrifft im zweiten Jahr in Folge den vorherigen Spitzenreiter Aud.
„Bei einem Volvo weiß man, was man hat“, so Hossiep. „Er strahlt aus, dass er zuverlässig ist, sicher, solide, langlebig. Das dürften mit die langlebigsten Autos überhaupt sein.“ Und dieses Image kommt gut an.
Wer früher keinen deutschen Premiumwagen fahren wollte, der griff zu Volvo. „Eigentlich wollte man das gleiche, aber eben unter anderer Marke“, sagt der Psychologe und ergänzt: „Das ist kein Angeber-Auto. Wer dicker auftragen möchte, das Etikett nach außen tragen will, der kauft sich keinen Volvo.“ Nach dem Ford-Ausstieg und unter den Fittichen der Chinesen habe es die schwedische Marke geschafft. Gerade wurde in Stockholm der neue Volvo vorgestellt: XC90. „Ein deutscher Designer hat da versucht, die klassischen Tugenden der Volvo-Autos wieder zu betonen: Weniger stylish, mehr Nutzwert.“
Für das Auto-Ranking werten Hossiep und sein Team jedes Jahr über zwei Millionen Foreneinträge von „Motor-Talk“ aus, die größte deutschsprachige Diskussionsplattform in Europa zum Thema Auto. Sie untersuchen, wie intensiv sich die Fahrer über eine Marke austauschen. Dabei beobachten die Forscher, dass nur Besitzer von Fahrzeugen rege im Internet posten und chatten, wenn sie wirklich überzeugt sind von der Marke. Hossiep: „Wer sich über seinen Wagen nur beklagt, der chattet dort auch nur einmal und dann nie wieder.“ Am Ende vergleichen die Forscher ihr Ergebnis mit dem Fahrzeugbestand, den das Kraftfahrt-Bundesamt bekannt gibt. So kommen sie zu ihrer Rangliste.
„Die Marken, die beim Involvement-Index weit oben stehen, sind eher in unseren Herzen verankert“, sagt Hossiep. Ganz weit vorne fahren die deutschen Premiummarken: Audi, BMW und Mercedes-Benz. Der Automobilerfinder konnte sich in den letzten Jahren weiter erholen. Hossiep: „Es gibt eine kontinuierliche Entwicklung, das konnten wir für die letzten acht Jahre feststellen. Das geht tendenziell immer höher. Bei Mercedes scheinen die furchtbaren Qualitätsprobleme langsam ausgestanden zu sein.“ Das Vertrauen in die Marke wächst wieder. Auch die englischen Premiummarken, Land Rover und Jaguar, erleben einen enormen Aufschwung. Dass Jaguar trotzdem auch heute „nur“ auf Platz 17 steht, kann auch an der Daten-Lage liegen. „Der Jaguar wird vielfach von älteren Herren gefahren und die chatten dann wahrscheinlich weniger über ihr Auto“, räumt Hossiep ein. Trotzdem: „Jeder Jaguar hat ein hohes Involvement, aber nicht jeder VW.“ Marken, die verschiedene Autotypen anbieten, Oberklassefahrzeuge und Kleinwagen, laufen Gefahr, das eigene Image zu verwässern. „Der VW Phaeton hat ein hohes emotional aufgeladenes Ansehen, der Polo nicht.“
Bei Alfa Romeo geht es dagegen steil abwärts: „Eine Marke, die eigentlich ganz viel Strahlkraft hat, liegt nun am Boden“, so Hossiep. Nur zwei Baureihen werden noch produziert. Das macht sich auch beim Kraftfahrzeugbestand bemerkbar – und im Internetforum. „Man kann an dem Involvement-Index die Emotionen des Marktes ablesen: Wenn eine Marke auf der Rangliste abfällt, dann merkt man das später auch an den Zulassungszahlen.“
Ebenso katastrophal ist die Entwicklung bei Citroën: „Da gibt’s heute eine gewisse Beliebigkeit“, so Hossiep. Früher war das anders, da stand die Marke für beliebte Modelle wie den Citroën DS – die Göttin – oder eben die Ente.
Die einstige „Involvement-Ikone“ Saab belegt dagegen immerhin noch den Platz 6, obwohl die Marke nur noch abgewickelt wird. „Leute, die so ein Auto haben, behalten es und lassen es reparieren“, sagt Hossiep – auch aus eigener Erfahrung. Er fährt selbst Saab.
„Für mich ist Kia eine Überraschung“, so Hossiep. Auf Platz 18. Die Koreaner schneiden insgesamt nicht schlecht ab. „Da müssen sich Traditionsunternehmen wie Citroën und Fiat schon Gedanken machen: Wie kann es sein, dass ich dahinter liege?“
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